Einstieg in die kostenfreie Kita. Gut so!

Veröffentlicht am 17.07.2018 in Landespolitik

Ab August werden viele Familien in Oberhavel mehr Geld in der Haushaltskasse haben. Das letzte Kitajahr vor der Schule im Land Brandenburg wird beitragsfrei. Endlich! Familien sparen durchschnittlich 1.320 Euro im Jahr. Dabei ist ganz egal, ob Kinder eine kommunale Kita oder Kitas freier Träger besuchen werden. Dieser Schritt war überfällig. Viele unserer Nachbarn haben den Weg schon längst eingeschlagen. In insgesamt 11 Bundesländern gibt es mittlerweile die teilweise oder komplette Beitragsbefreiung. Gut, dass sich auch die SPD im Landtag dafür stark gemacht hat. Für mich ist das eine Aufwertung frühkindlicher Bildungseinrichtungen und keine Abwertung.

Unberechtigte Kritik

Wie immer, gibt es Befürworter und Kritiker. Auch beim Thema Beitragsfreiheit. Nachvollziehen kann ich die Argumente gegen eine kostenlose Kita allerdings nicht. Klar, der Verwaltungsaufwand der Kommunen wird zunächst einmal höher. Das wird jedoch nur vorübergehend sein, das spielt sich ein. Das Land Brandenburg erstattet den Kommunen einen Pauschalbetrag und finanziert das letzte Kita-Jahr vor der Schule. Sollte die Landespauschale nicht ausreichen, muss nachgebessert werden. Aber das sind Verwaltungsangelegenheiten. Den Eltern sind solche Fragen zu Recht gleich. Am wenigsten nachvollziehen kann ich jedoch das Argument: "Was nichts kostet, ist nichts wert."

Wieso, frag ich mich? Was ist damit genau gemeint? Zum einen anscheinend die Wertschätzung der täglichen Arbeit von Erzieherinnen und Erziehern in den Kitas. Gemeint sind wahrscheinlich auch die Bemühungen von Kommunen, die Geld in die Hand nehmen und in eine gute Kita-Ausstattung und Spielplätze stecken.  Das soll plötzlich alles weniger zählen, weil Eltern nicht mehr zur Kasse gebeten werden? Dieses Argument hinkt für mich doch gewaltig. Diese Kritik kommt häufig auch aus einer Richtung. Meist von Leuten, die selbst Teil des Systems sind, also in Kitas oder Kommunalverwaltungen beschäftigt sind. 

Mehr Babys braucht das Land!

Andere Perspektiven eröffnen jedoch neue Blickwinkel. Wir wissen nicht erst seit gestern, dass unsere Gesellschaft immer älter wird. Die Politik hat schon vor einigen Jahren reagiert und Pro-Baby-Maßnahmen eingeführt: Elterngeld, Kindergeld, Kinderzuschlag, Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, Steuerentlastungen. All diese Leistungen sollen Frauen und Männer die Entscheidung erleichtern, Kinder in diese Welt zu setzen. Das Signal ist eindeutig: Deutschland braucht mehr Babys! Wir brauchen mehr Kinder, um die Dinge am Laufen zu halten, um letztendlich den gesellschaftlichen Wohlstand zu sichern. 

Beitragsfreiheit vs. Kita-Qualität?!

Ein anderes häufig angesprochenes Argument gegen die Beitragsfreiheit, ist, dass dies zu Lasten der Qualität in den Kitas gehen könnte. Der Vorwurf: Geld, dass für den Einstieg in Beitragsfreiheit aufgewendet wird (immerhin rund 42 Millionen Euro im Land Brandenburg), fehlt an anderer Stelle. Beides ist jedoch wichtig, die kostenfreie Kita und eine gute Kita-Qualität. Das eine darf nicht zu Lasten des anderen gehen. Zumindest in Brandenburg sehe ich jedoch wenig Grund zur Sorge. Bereits umgesetzte oder angeschobene Maßnahmen zeigen das auch. Der Personalschlüssel wurde in den letzten Jahren immer weiter verbessert und wird übrigens zum 1. August wieder verbessert. In Krippen wurde der Personalschlüssel von 1 zu 6 auf 1 zu 5 reduziert. Ab August gilt im Bereich der Drei- bis Sechsjährigen ein Personalschlüssel von 1 zu 11. 2017 startete zudem das Kiez-Kita-Programm. Kitas die mit besonderen Herausforderungen umgehen müssen, erhalten zusätzliches Fachpersonal, zum Beispiel Sozialpädagogen. In Oberhavel profitieren neun Kitas von diesem Programm. Die Leistungsfreistellung für Kita-Leitungen wurde zum 1. August 2017 erhöht und das Kita-Investitionsprogramm läuft. Für 2018 und 2019 stehen damit jeweils 10 Millionen Euro zur Verfügung, um zum Beispiel Modernisierungsarbeiten in Kitas durchführen zu können. Es zeigt sich klar, auch in Kita-Qualität wird kräftig investiert.

Mit kostenfreier Bildung gegen soziale Ungleichheit

Die SPD bekannte sich 2007 im Hamburger Programm zum "Recht auf einen gebührenfreien Bildungsweg von der Krippe bis zur Hochschule". Hinter dieser Forderung steckt aber mehr. Es klingt mittlerweile schon fast abgedroschen aber das Ziel heißt: Gute Bildung für alle unabhängig von sozialer Herkunft. Unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Alles andere würde zu Benachteiligung und damit zur Verschärfung sozialer Ungleichheit führen. Der Begriff soziale Ungleichheit ist zugegebenermaßen recht sperrig und was er mit Kita zu tun hat, wird auch nicht sofort klar. Soziale Ungleichheit liegt nach dem Soziologen Reinhard Kreckel "überall da vor, wo die Möglichkeit des Zugangs zu allgemein verfügbaren und erstrebenswerten sozialen Gütern und/oder zu Positionen, die mit ungleichen Macht- und Interaktionsmöglichkeiten ausgestattet sind, dauerhafte Einschränkungen erfahren und dadurch die Lebenschancen der betroffenen Individuen, Gruppen oder Gesellschaften beeinträchtigt oder begünstigt".

Soweit die Theorie. Für den Bereich Kita und frühkindliche Bildung bedeutet das, dass Elternbeiträge Zugangsbeschränkungen darstellen. Können es sich Eltern nicht leisten, ihr Kind in die Kita zu schicken, haben die Kinder das Nachsehen. Ihnen werden soziale Kontakte zu Gleichaltrigen sowie der Zugang zu frühkindlicher Bildung verwehrt. Immer wieder gibt es Studien, die den Zusammenhang zwischen Elternhaus und Bildungsabschluss belegen. Zudem haben wir in Brandenburg noch immer das Problem, dass Kita in den Kommunen unterschiedlich viel kostet. Auch das ist eine sozial ungleiche Behandlung von Eltern und Kindern. Es ist niemandem plausibel zu erklären, wieso sich Elternbeiträge allein im Kreis Oberhavel um mehrere 100 Euro in den Kommunen für die gleiche Leistung unterscheiden. Für Familien kann das ein K.O.-Kriterium sein, dort wohnen zu bleiben. Im ganzen Land sind in den letzten Jahren Eltern deshalb zu Recht auf die Barrikaden gegangen. Ein Ergebnis: Kita-Satzungen in vielen Kommunen wurden nachgebessert. Elternbeiräte sind heute in engem Austausch mit den Kommunenverwaltungen. Beharrlichkeit zahlt sich aus.

Kita ist (k)ein Bildungsort

Wie bei allen großen Projekten wird sich wahrscheinlich auch beim Thema Einstieg in die Beitragsfreiheit zeigen, dass sich anfängliche Befürchtungen nicht bewahrheiten werden. Wichtig ist doch immer, dass die politischen Ziele hinter den Maßnahmen klar bleiben.

Kostenlose Kita heißt:

  1. Finanzielle Entlastung von Familien.
  2. Gleiche Bedingungen für Familien in ländlichen Regionen und in Städten.
  3. Gleiche Startchancen für alle Kinder.

Für mich zeigt die Diskussion um die Beitragsfreiheit auch, dass Kita nicht den gleichen Stellenwert wie Schule genießt. Kita entwickelte sich als Teil des Kinder- und Jugendhilferechts und war in Deutschland nie Teil des Schulrechts. Diese Abgrenzung wirkt bis heute und führt dazu, dass frühkindliche Bildung nicht auf eine Stufe mit Schulbildung gesetzt wird. Es gibt die Schulpflicht aber keine Kitapflicht. Schule darf nichts kosten, Kita schon. Erneuten Auftrieb für alle, die Kita als erste Stufe des Bildungssystems verstehen, gaben die ersten PISA-Studien. Ähnlich wie 1964 als Georg Picht den "Bildungsnotstand" ausrief, ging nach PISA 2000 ein gefühlter Ruck durch die deutsche Bildungslandschaft. Für Picht bedeutete Bildungsnotstand einen wirtschaftlichen Notstand. An Aktualität haben seine Forderungen auch nach über 50 Jahren nichts eingebüßt. Auch heute fehlen Fachkräfte und Lehrstellen bleiben unbesetzt, oft weil qualifizierter Nachwuchs fehlt. Die Weichen für Bildungserfolge von Kindern werden in der Kita gestellt. Die aktuellen Diskussionen um den Fachkräftemangel könnten dazu führen, die historisch gewachsenen Gräben zwischen Kita und Schule zu überwinden. Spätestens dann würden wir nicht mehr darüber diskutieren, ob Kita kostenfrei sein sollte oder nicht. Es wäre eine Selbstverständlichkeit, die die gezielte frühe Bildung durch qualifizierte Pädagogen in den Kitas möglich machen würde, alle Kinder in ihrer individuellen Entwicklung fördern würde und ganz nebenbei die globale Anschlussfähigkeit Deutschlands sichern würde. Eine schöne Vorstellung, die mir sehr gut gefällt. Dass das nicht morgen klappen wird, ist klar. Klar ist auch, dass Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen müssen. Ohne Zweifel eine Herausforderung für alle Ebenen. Das neue Gute-KiTa-Gesetz unserer Bundesfamilienministerin Franziska Giffey ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.

Wie dem auch sei. Die Bildungspolitik der SPD war für mich ein Hauptgrund, in die Partei einzutreten. Und ich freue mich sehr, dass unsere SPD-Landtagsfraktion mutig genug war, den Weg für die kostenlose Kita in Brandenburg frei zu machen. Dieser Weg muss nun konsequent weitergegangen werden.

 

Viele Grüße

Judith Brandt

SPD Oberhavel
Ortsverein Oranienburg

 

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