Koalition bleibt bei Finanzmarktregulierung bei Ankündigungen
Nach dem enttäuschenden G20-Gipfel in Cannes will die Koalition keine Konsequenzen ziehen. Sie lehnte einen Antrag der SPD zur umfassenden Finanzmarktregulierung ab und begnügt sich mit vagen Ankündigungen. Ex-Finanzminister Peer Steinbrück warnte, in dieser Krise gehe es um mehr als um Geld, „es geht um Vertrauen in die Demokratie“.
Die Bundesregierung laviert weiter bei dem Versuch, die Finanzmärkte zu regulieren. Am Freitag verabschiedeten die Abgeordneten der Koalition im Bundestag einen Antrag, der lediglich wohlklingende Ankündigungen enthält. Effektive Maßnahmen und konkrete Initiativen Fehlanzeige. Deshalb hatte die SPD-Bundestagsfraktion einen eigenen Antrag zur umfassenden Finanzmarktregulierung [PDF, 197 KB] in das Parlament eingebracht. Doch dieser wurde von Union und FDP abgelehnt – die Grünen stimmten dem Antrag zu.
Ernüchternde Bilanz der bisherigen Regierungszeit von Union und FDP
In ihrem Antrag stellen die SPD-Abgeordneten fest, dass die Bilanz der Finanzmarktregulierung drei Jahre nach Ausbruch der größten Finanz- und Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg „ernüchternd“ sei. „Die Forderungen des G20-Gipfels vom 15. November 2008 in Washington wonach kein Produkt, kein Akteur und kein Markt unreguliert bleiben dürfen, bleiben größtenteils auch weiterhin Wunschdenken“, heißt es in dem Antrag. Die Bundesregierung habe es versäumt, die in Washington und 2009 in Pittsburgh getroffenen Verabredungen „mit der Kraft der viertgrößten Wirtschaftsmacht der Welt voran zu treiben und selbst die Initiative zu ergreifen“. Stattdessen habe sich die regierende Koalition aus CDU, CSU und FDP über wirkungsvolle Regulierungsvorschläge intern zerstritten. Die Bundesregierung verharre zwischen Attentismus und Blockade, verstecke sich bei den meisten Regulierungsvorhaben und zeige keinerlei Gestaltungswillen.
Die Forderungen der SPD zur Finanzmarktregulierung
Deshalb ist für die SPD ein neuer Anlauf durchgreifender Finanzmarktregulierung in Europa erforderlich. In dem Antrag fordern die Sozialdemokraten unter anderem, die Eigenkapitalquote von Banken konsequent zu steigern und mit einer Verschuldungsobergrenze für die Banken zu kombinieren. Bei der Umsetzung neuer Eigenkapital- und Liquiditätsvorschriften soll die besondere Struktur der deutschen Sparkassen und Genossenschaftsbanken stärker berücksichtigt werden. Die SPD will schädliche Finanzmarktprodukte, wie ungedeckte Leerverkäufe oder spekulative Kreditausfallversicherungen verbieten. Auch sollen hochspekulative Finanzmarktprodukte schärfer reguliert werden. „Zur Schaffung von Transparenz müssen Derivate weitgehend standardisiert werden und dürfen nur noch über Börsen oder regulierte und transparente Handelsplattformen gehandelt werden“, heißt es in dem Antrag.
Notwendig aus Sicht der SPD ist es auch, den Schattenbanksektor umfassend zu regulieren. Zudem soll der Rohstoffhandel durch Finanzinstitutionen unterbunden werden. Warentermingeschäfte und Rohstoffhandel „dürfen nur noch erlaubt werden, wenn der unmittelbare Bezug zur realen Warentransaktion oder dem zugrunde liegenden Geschäft besteht“, fordern die Sozialdemokraten.
Weil beim G20-Gipfel Anfang November in Cannes kein Durchbruch bei der Einführung einer internationalen Finanztransaktionssteuer erzielt wurde, tritt die SPD dafür ein, die Steuer in der Europäischen Union oder zumindest in der Eurozone oder von gleichgesinnten Staaten zu erheben.
Steinbrück: „Es hat einen Lerneffekt gegeben“
„Ja, auch wir haben uns damals von den Märkten erpressen lassen und uns zu früh gebeugt, es hat aber einen Lerneffekt gegeben“, sagte Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in der Bundestagsdebatte. Selbstkritisch räumte er in seiner Rede ein, auch selber in der Krise dazugelernt zu haben: „Ich habe keine Mühe zuzugeben, dass es einen Lerneffekt gegeben hat – auch über die Entwicklung ab 2007.“ Steinbrück stellte klar, dass es die damalige rot-grüne Koalition gewesen sei, die auf internationaler Ebene zuerst das Thema Finanzmarktregulierung aufgegriffen habe. Im Gegensatz zu CDU/CSU und FDP habe seine Partei stets für eine Finanz-Regulierung gestanden. Gerade die FDP habe in seiner Zeit als Bundesfinanzminister jede Form der Regulierung verweigert. „Alles, was ich an Maßnahmen getroffen habe, haben Sie abgelehnt“, rief er den FDP-Abgeordneten zu.
So sei auch das, was die jetzige Regierung vorlege, ziemlich „dünn“ und „an Inhaltslosigkeit nicht zu übertreffen.“ Die Koalition habe für die notwendige Finanzmarktregulierung „nichts an Substanziellem vorgelegt“.
„Paradigma der Deregulierung gescheitert“
„Jede Übertreibung, jeder Exzess, jede Maßlosigkeit schafft sich eine Gegenbewegung“, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf die occupy-Bewegung. Die internationalen Demonstrationen gegen das Bankensystem seien die Reaktion darauf, dass Finanzmärkte zu Ekzessen geführt und viele Länder an den Abgrund geführt hätten. Viele Menschen hätten das Vertrauen in die Gestaltungs- und Steuerungsfähigkeit der Politik verloren. Doch dieser Anspruch der Politik müsse zurückgewonnen werden. Nur so könne auch das Vertrauen der Menschen in die Politik zurückgewonnen werden. Zugleich warnte der Ex-Bundesfinanzminister die Bundesregierung: „Bei dem jetzigen Stand der Finanzmarktregulierung sage ich Ihnen voraus, dass eine Wiederholung der Exzesse überhaupt nicht ausgeschlossen ist“. Steinbrück betonte, das „Paradigma der Deregulierung“ sei gescheitert.
In der anschließenden Abstimmung lehnte die Koalitionsmehrheit den Antrag der SPD ab, die Grünen stimmten zu.