Bilkay Öney im Interview: „Jeder muss sich immer wieder integrieren“

Veröffentlicht am 04.05.2011 in Landespolitik

Die Berliner Landespolitikerin Bilkay Öney (SPD) geht als Integrationsministerin nach Baden-Württemberg. Ein gelungener Coup der Südwest-SPD, denn damit übernimmt eine in der Türkei geborene Sozialdemokratin das neu geschaffene Ministerium. In Stuttgart wurde heute die neue Regierungsmannschaft von Grün-Rot präsentiert. spd.de sprach zuvor mit Bilkay Öney.

Hat Sie die Berufung nach Stuttgart überrascht?
Ich kam gerade aus der Türkei zurück und hatte aus der Ferne beobachten müssen, wie die Sarrazin-Debatte in Deutschland tobte. Das hat mich beschäftigt. Ich wusste zwar, dass es in Baden-Württemberg ein Integrationsministerium geben soll, doch es gab bereits einen potenziellen Kandidaten. Also war ich total überrascht, als es dann hieß, dass sie mich für das Amt haben wollen.

Berlin ist in Sachen Migration und Integration ein ganz anderes Pflaster als die Schwabenmetropole Stuttgart. Macht Ihnen das Angst?
Nein, im Gegenteil. Ich glaube, dass die Migranten in Baden-Württemberg in einer sehr viel komfortableren Situation leben als es die Migranten in Berlin tun: In Berlin gibt es eine höhere Arbeitslosigkeit, gibt es eine höhere Armutsrate und folglich auch eine höhere Kriminalitätsrate. Es sind andere Verhältnisse. In Baden-Württemberg geht es beschaulicher zu.

In Stuttgart wird gewiss auch ein anderer Politikstil gepflegt als in Ihrer Heimat Berlin.
Was bedeutet, dass auch ich mich in Baden-Württemberg erst noch integrieren muss. Integration ist ein Aufgabe, von der man nie befreit ist. Jeder muss sich immer wieder integrieren.

Als ehemaliges Parteimitglied der Grünen dürfte es Ihnen bei der grün-roten Koalition allerdings leichter fallen als anderen. Haben sich grüne Kollegen schon bei Ihnen gemeldet?
Ja, dabei sind es nicht nur grüne Kollegen, die mir gratulieren, sondern auch grüne Freunde – die ich noch immer habe. Ich habe die Partei gewechselt, aber nicht meine Freunde und auch nicht meine politische Grundgesinnung. Die Schnittmenge im Bereich Integration ist bei SPD und Grünen enorm groß. Wichtige Projekte sind damals gerade unter der rot-grünen Bundesregierung zustande gekommen, wie die Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes im Jahr 2000 und das Zuwanderungsgesetz 2005.

Ein Beleg dafür, dass das Thema „Migration“ nicht erst seit gestern auf der Agenda der SPD ist.
Migration ist schon immer Teil sozialdemokratischer Politik, weil wir für sozialen Frieden eintreten und für soziale Gerechtigkeit stehen. Was sich in der Debatte etwas geändert hat, ist der Ton – er ist schärfer geworden.

Sie stehen für klare Worte, die auch manche Migranten treffen. Verstören Sie damit nicht zum Beispiel auch sehr religiöse Menschen?
Da gibt es kaum Probleme. Mit religiösen Menschen arbeite ich gut und gerne zusammen. Ich stehe auch nicht für eine radikale Position. In meinem Umfeld gibt es noch radikalere Ansichten und radikalere Forderungen. So habe ich türkische Freunde, die sehr harsch reagieren, wenn wieder von jugendlichen Gewalttätern in der U-Bahn berichtet wird oder wenn wir in Neukölln unterwegs sind und die Missstände sehen. Ich suche eine ausgewogene Position, denn ich will den Leuten nicht gegen ihr Schienbein treten. Ich will sie davon überzeugen, dass es sich lohnt zu integrieren. Integration ist eine Frage von wollen, können und dürfen – dazu müssen wir Politiker beitragen.

Worauf freuen Sie sich besonders in Stuttgart?
Auf den VfB Stuttgart! (lacht) Ich bin schon seit meiner Kindheit VfB-Fan – wegen Hansi Müller. Außerdem hatte mir meine Mutter im Sonderangebot rote Bettwäsche gekauft – die Vereinsfarben. Besonders freue ich mich nun aber darauf, die neuen Kollegen und Genossen kennen zu lernen. Für mich ist die Aufgabe in Stuttgart eine große Ehre und eine große Herausforderung.

 

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